„Wir zeigen, wie eine plurale Gesellschaft funktionieren kann“

Hanspeter Brodbeck leitet seit über drei Jahren das Seniorenzentrum Gertrud Luckner. Nun möchte er neue Herausforderungen
in der Behindertenhilfe angehen. Wir treffen ihn spontan zu einem Abschiedsgespräch.

In der Funktion als Hausleitung verstehen Sie sich auch als Menschen mit Vorbildfunktion, der Wertschätzung vermittelt und ein offenes Ohr für Sorgen und Ängste hat. Ist das Teil der Willkommenskultur im Haus?
Ja absolut. Es ist wichtig, eine offene Kommunikation vorzuleben und ein ehrliches Interesse seinem Gegenüber mit seinen Stärken und Schwächen zu zeigen. Ich habe gelernt, dass jede und jeder einen Rucksack mit Lasten mit sich trägt. Ich kann den Rucksack nicht abnehmen, aber ich kann helfen zu sortieren, Lösungsansätze zu finden. Das hat mir immer Freude bereitet. Zugleich ist das natürlich ein großes Vertrauen, das mir und meinen Leitungskolleg:innen entgegengebracht wird. Das ist etwas Besonderes hier im Haus. Wir haben eine unfassbare Vielfalt und zeigen im Grunde genommen, wie eine plurale Gesellschaft funktionieren kann. Trotz Stress und Belastung gehen alle respektvoll miteinander um. Und wenn es zu Reibereien kommt, dann unabhängig von Herkunft oder Glaube. Wir sind nun mal als Menschen sehr unterschiedlich.

Ihnen war es stets ein Anliegen, neue Auszubildende und Fachkräfte zu gewinnen. Was macht eine gute Ausbildung in der Altenhilfe aus?
Genügend qualitative Praxisanleitung ist enorm wichtig. Man muss aber auch eine Lernatmosphäre schaffen, in denen Fehler erlaubt sind, der Lerneffekt ist das Entscheidende. Wichtig ist, Verantwortungen abzugeben, die Schüler:innnen gut zu begleiten, Lösungen entwickeln lassen und da anzusetzen, wo individuelle Unterstützung notwendig ist. Das finde ich grundsätzlich so besonders an der Keppler-Stiftung: durch die dezentrale Struktur haben wir viele Möglichkeiten der Gestaltung und zugleich Ansprechpartner:innen, die uns auf Augenhöhe begegnen. Das geben wir auch unseren Auszubildenden und Mitarbeitenden mit. Ich finde es toll, dass sie sich gegenseitig stützen und Teamgeist zeigen. Sie machen ihre Arbeit nicht nur gut, sondern gerne. Das ist wertvoll. 

Trotz Pandemie haben Sie in den vergangenen Jahren viele Projekte im Sozialraum mitgestaltet. Warum war das für Sie ein großes Anliegen?
Wir leben nicht nur in unseren vier Wänden, sondern auch in Orschel-Hagen, wo wir als Menschen auf Beziehungen angewiesen sind, innerhalb und außerhalb des Seniorenzentrums. Ich freue mich, dass wir beispielsweise Teil des Orschel-Hagen-Forums sind, wo wir mit engagierten Institutionen Räume für Begegnungen schaffen. Gemeinsam haben wir eine Stadtteilzeitung partizipativ entwickelt. So erfahren unsere Bewohner:innen was uns, aber auch Orschel-Hagen bewegt. Vereinzelt sind die Senior:innen sogar Teil des Teams – gemeinsam mit den Kindergärten tragen sie die Zeitung abwechselnd aus. Unsere Anlaufstelle für Demenz und Lebensqualität war zuvor eigenständig und ist mittlerweile ans Seniorenzentrum angedockt mit einem stärkerem Fokus auf die Vernetzung im Sozialraum. Und wir haben eine Sozialstation übernommen und neue Mitarbeitende gewonnen, die sich gut eingefunden haben.

Die Pandemie war für alle eine herausfordernde Zeit. Was gibt Ihnen in schweren Zeiten Kraft?
(lacht) Ich gehe immer auf den Wohnbereich - da gibt es Bewohner:innen,  die es mit ihrer Art und Wärme schaffen, mir Kraft zu geben und mich an ihrem Leben teilhaben lassen. Das ist eine wirkliche Bereicherung – oder wie unser Azubi Andom mal sagte: Das Haus ist wie eine offene Bibliothek. Ich komme immer mit einem Strahlen wieder zurück ins Büro.

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